Dienstag, 29. September 2009

stille Tage auf der Insel.....



schon beim letzten klassentreffen vor zehn jahren kam bei einigen von uns der wunsch auf, nochmals auf die holländische insel vlieland zu fahren. so halb im scherz, halb ernsthaft gemeint, fiel dann der satz: wenn wir 65 sind, dann machen wir das!
dazu muss ich erklären, dass wir damals, ende der fünfziger jahre im ruhrgebiet als schüler einer volksschule fast alle kaum erfahrungen mit urlaubsreisen mit den eltern hatten, und schon gar nicht ins ausland! das wirtschaftswunder fing gerade erst an, auch in unserer bergmannssiedlung ein wenig fuß zu fassen, was sich aber erst in der anschaffung von möbeln, kleidung und evtl. noch als höchstem luxus, einem fernsehgerät oder einer musiktruhe, niederschlug. urlaubsreisen standen da noch nicht auf der liste.


wir hatten einen begnadeten pädagogen als rektor, der auch unser klassenlehrer war und an den wir alle noch mit hochachtung und dankbarkeit denken. dessen anliegen war es, uns arbeiterkindern bis zur schulentlassung sowohl das erlebnis einer bahnfahrt, als auch die begegnung mit ausländischen schülern (was damals noch keineswegs die regel war, schon gar nicht in volksschulen) zu vermitteln. so entstand ein schüleraustausch mit schülern der friesischen stadt leeuwarden, an den sich dann noch einige tage aufenthalt auf der insel vlieland in einer art jugendherberge anschloss, um uns auch das meer zu zeigen, welches uns, die wir bis dato fast ausschließlich unser kohlenpottiges "häusermeer" kannten, tief beeindruckte.

jedenfalls wurde vlieland so etwas wie ein geheimtipp, etliche eltern reisten dann später auch dorthin und auch viele von uns in den ersten jahren, als man sich endlich urlaub erlauben konnte vom eigenen verdienten geld oder noch später dann mit ihren familien.
aber mit den jahren wurden die ziele dann weitgesteckter, die ganze welt stand uns schließlich offen.
ob es die sentimentalität des beginnenden älter werdens war oder eine geheime sehnsucht, noch einmal auf den spuren der vergangenheit zu wandeln, die uns diese reise planen ließ, wer weiß?
jedenfalls war es in diesem jahr dann so weit! wir hatten das bewusste alter erreicht und drei von uns wollten nun wirklich und wahrhaftig den schritt "zurück in die eigene vergangenheit" machen.

nun galt es, die eigenen erinnerungen mit der heutigen wirklichkeit in übereinstimmung zu bringen. denn in der erinnerung bleibt ja alles stets so, wie es war, während die zeit natürlich auch auf einer kleinen idyllischen insel für veränderungen sorgt.
wir merkten es schon in harlingen am hafen, wo die fähre nach vlieland ablegt. das war früher alles recht klein und überschaubar, die fähren hatten einfache holzbänke, man wartete auf sie in einer art besserer bushaltestelle.
welch ein unterschied heute:
ein modernes hafengebäude mit cafè, überall parkautomaten und die fähren beeindruckende dreistöckige schiffe ganz in weiß mit panoramascheiben, innen mit clubsesseln komfortabel bestückt und das oberdeck mit jeder menge sitzgelegenheiten ausgestattet, während wir früher überwiegend auf dem boden herumlungerten.
aber wir sind ja inzwischen auch fünfzig jahre älter, und demnach kam uns dieser größere komfort nicht ungelegen.

wir wollten die überfahrt natürlich mit allen sinnen genießen und suchten uns gleich einen platz auf dem oberdeck, das wetter meinte es gut mit uns, die sonne schien , den starken wind ignorierten wir einfach - was wollten wir mehr? das tuten der fähre unmittelbar über unseren köpfen beim ablegen ließ uns zusammen zucken - unser "abenteuer" konnte beginnen!
sobald die insel zu sehen war, hingen wir an der reling und machten uns gegenseitig auf alle uns bekannt vorkommenden einzelheiten aufmerksam.

und dann nach 1,5 stunden liefen wir bei herrlichem wetter in den hafen ein und freundin W. winkte voller begeisterung "ihrer" insel zu.


da lag er nun vor uns, der kleine hafen von vlieland. klein und schnuckelig wie damals, doch wir sahen auch dort sofort die veränderungen.


blick von der fähre auf den anleger

auch hier jetzt eine stattliche abfertigungshalle, schön gepflasterter anleger und - die allergrößte veränderung: es gab jetzt großraumtaxis und gepäcktransfer per kleintransporter, während damals nur pferd und wagen auf der insel zugelassen war.
freundin W. war ein wenig enttäuscht, dass nun auch hier autoverkehr möglich war, aber uns beiden anderen störte es nicht sonderlich, denn autos fahren dort wohl nur bei der ankunft und abfahrt der fähre, außerdem ist überall 30 km/h vorgeschrieben und die meisten straßen gesperrt. da konnten wir gut mit leben.
ich muss ehrlich zugeben, ich war recht froh darüber, dass jetzt auch ein bus den langen "badweg", der sich über die ganze dünenbreite hinzieht, durchfährt, und bis zum dorf und sogar zum über 7 km abseits gelegenen ausflugsziel "het posthuis" regelmäßig verkehrt.
und auch freundin W. war dann einer benutzung desselben so manches mal nicht abgeneigt, wenn unsere füße müde waren und uns der weg vom strand zurück ins dorf ziemlich lang erschien.

gleich nachdem wir unsere ferienwohnung besichtigt und für vorzüglich befunden hatten, machten wir uns auf ins dorf. die dorpstraat schien auf den ersten blick unverändert, auf den zweiten entdeckten wir viele nette kleine geschäfte, und von anheimelnd bis mondän aufgemachte hotels und restaurants. aber alles sehr geschickt gemacht. man hat die alten vorderansichten nur optisch restauriert, doch dahinter dann ganz neue räume angebaut. mir gefiel es sehr gut, denn es wirkte auf eine art alt und war doch überwiegend neu restauriert.

ich habe auf deutschen nordsee-inseln schon sehr viel missglückte an- und umbauten gesehen, die oft eine beleidigung fürs auge sind und eigentlich auch nicht mit der vorherrschenden platznot auf den inseln und der mühseligkeit des bauens dort zu entschuldigen sind.
auf vlieland wirkte es eher alles wie aus einem guss, das gefiel mir gut.

die dorpstraat

natürlich haben wir dann gleich am ersten tag den typischen holländischen "pannekoeken" schnabuliert, das ist sozusagen die niederländische variante der italienischen pizza! die pfannkuchen sprengen wirklich jede tellergröße, ich weiß nicht, in was für pfannen die holländer diese riesenteile zubereiten, aber geschmeckt haben sie uns herrlich! und gesättigt und zufrieden bummelten wir noch ein wenig durchs dorf bis zu unserer ehemaligen unterkunft als schüler, die sich ebenfalls in frischem weißblauen outfit herausgemausert hatte, aber wohl immer noch so etwas wie eine preiswerte unterkunftsmöglichkeit für diverse gruppen ist.

unseredamalige unterkunft

freundin Ch. konnte es sich nicht verkneifen, allen denen wir dort begegneten, zu erzählen, dass wir dort vor 52 jahren als schüler ebenfalls genächtigt hatten und nun eine "nostalgie-reise" absolvierten. das fanden die meisten sehr interessant und wollten genaueres wissen, dann war Ch. nicht mehr zu bremsen. wir anderen beiden befürchteten schon, dass unsere geschichte demnächst noch in der "volkskrant" erscheinen würde. ;-)
noch ein wenig über den deich mit blick aufs wattenmeer zurück zum hafen und dann war der erste tag der ferienwoche auch schon herum.

abendstimmung am watt

am nächsten tag wollten wir natürlich zuallererst zum strand. da wir dachten, dass wir den weg noch "im schlaf" finden würden, gingen wir frohgemut drauflos, nur um dann ein wenig später festzustellen, dass wir wohl doch einen großen umweg eingeschlagen hatten, denn statt am strand kamen wir am yachthafen an. ja, auch so eine recht kleine insel kann einem in solchen momenten recht groß erscheinen, wenn die füße beginnen zu schmerzen und sich langsam hunger bemerkbar macht, da die mittagszeit naht. und schon war auch freundin W. damit versöhnt, dass jetzt ein bus auf der insel fährt, denn der kam uns in dieser situation sehr gut zupass.
allerdings wehte dann der wind, genauer gesagt ein sturm, direkt vom wasser, so dass wir nur einen kurzen blick auf strand und meer werfen konnten, ein strandspaziergang wäre nicht möglich gewesen, sonst wären wir regelrecht "sandgestrahlt" worden!

strandsturm

so begnügten wir uns dann mit einem capuccino, geschützt hinter den glasscheiben des strandpavillons und verschoben unseren ersten strandgang auf eine günstigere stunde.
die kam dann ganz unerwartet am nachmittag, der himmel riss auf, die sonne kam hervor und der sturm legte sich. wir hatten ja zeit und nichts zu tun, also war es kein problem, ein zweites mal am tag in richtung strand zu pilgern.


und dieses mal kamen wir voll auf unsere kosten.


zuerst nur ein kleiner ausschnitt.....

doch dann da lag es vor uns: das meer!

der vorteil, wenn man außerhalb der hochsaison urlaub am meer macht, ist ja auch, dass man dann das vergnügen genießen kann, einen endlos wirkenden strand fast für sich alleine zu haben. ein unbeschreibliches gefühl von weite und freiheit!

was wir alles gemacht haben in dieser einen woche?

gelaufen bis zum horizont!

mit den füßen durch rinnsale getapst...


uns gegen den wind gestemmt...


einfach mal ganz unbefangen und ausgelassen gewesen....

von den dünen aus in die weite geschaut...

"grüne inseln" entdeckt...


über merkwürdige "fußspuren" gerätselt.....

die ruhe genossen....

vögel und schiffe beobachtet...

muscheln gesucht...

uns von der sonne wärmen lassen

am abendlichen wolkenbild erfreut...


an den "zomerhuizen" entlang geschlendert.....

den flug der möwen verfolgt......


den leuchtturm haben wir allerdings nur von unten betrachtet!

wir hatten mit dem wetter in den ganzen folgenden tagen richtig glück, jeden tag schien die sonne, so dass wir ganz viel an der frischen luft sein konnten. an jedem tag waren wir mindestens einmal am strand, der nachmittägliche gang an den anleger, wenn die fähre kam, sowie ein gang durchs dorf, um die täglichen einkäufe zu erledigen, gehörte sowieso dazu. wir hockten nicht ständig zusammen, sondern gaben uns auch die möglichkeit, dass jede einige zeit am tag ganz für sich gestalten konnte, so hatte dadurch auch jede von uns ganz "eigene" erlebnisse, die sie als spezielle erinnerung mit nach hause nehmen konnte.

so war für mich persönlich der letzte tag besonders einprägsam, als ich mir ein fahrrad geliehen hatte, und die insel noch einmal ganz für mich individuell abklapperte. mir gefiel ja schon immer ganz besonders, dass dort im gegensatz zu den deutschen ostfriesischen inseln ein großer teil der insel bewaldet ist. auch gibt es dort recht große heideflächen und cranberryfelder.heidefläche
.
die stillen wege im duftenden kiefernwald mit den sonnendurchfluteten bäumen zu durchstreifen, fand ich sehr schön und beruhigend. die stimmung dort ist so ganz anders als am strand mit dem ewig unruhigen meer. beides zusammen empfand ich als wohltuende, sich ergänzende gegensätze.

inselwald

eine baumfreundliche bank


auf einsamen ruhigen wegen mit dem fahrrad über die insel zu fahren ist ein ganz besonderes vergnügen. kein verkehrslärm, im hintergrund das ständige rauschen des meeres und über einem das kreischen der möwen, dazu noch herrlicher sonnenschein und angenehmer wind - das ist ein herrliches gefühl und macht den kopf frei.

fietsenpad


dünen-einsamkeit

mein lieblingsplatz

wie alles schöne im leben, so ging auch diese woche viel zu schnell zu ende und es hieß, abschied zu nehmen.

der letzte blick von der fähre aufs dorf

langsam entschwindet die insel unseren blicken!

die rückfahrt mit der fähre fand bei strahlendem sonnenschein und sehr ruhiger see statt. leichter dunst lag über dem wasser und es waren sehr viele segler zwischen den inseln und dem festland unterwegs, so dass wir die ganzen 1,5 stunden von vielen prächtigen segelschiffen umgeben waren. es war ein herrlicher anblick, der sich mir dauerhaft einprägte hat und einen passenden abschluss dieser stillen tage auf der insel bildete.





1 Kommentar:

Karla Kotelett hat gesagt…

Moin, ich bin Karla und ich bin ein Schwein. Meine Mama kennst du auch!
Wubru, wir wußten nicht, dass du wieder abloggst, Mama hat dich schon aus der Liste geschmissen - Ordnungsfan halt!

Dein Urlaub war sicher sehr toll, ein Schweinchen wie ich wäre sehr gerne am Strand rumgetollt. Wenn ich im Watt versunken wäre, hättst du mich retten müssen!

Deine Karla